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Wörter, wenn sie sich zu Worten gruppieren und in Sätzen
zusammenfinden, können uns die Welt erklären. Je nachdem,
wer sie formuliert und formiert, kann das eine nüchterne Beschreibung,
Information, Feststellung sein. Oder es kann ein Schleier sein,
der sich über die Objekte legt, die wir ja nur mit Hilfe der
Wörter definieren und damit erkennen können. Ein Schleier,
der uns paradoxer Weise die Dinge klarer erkennen lässt. Wer
Worte so verhüllend-enthüllend gebrauchen kann, ist ein
Zauberer.
Francis Ponge (1899-1988), ein in Deutschland immer noch viel zu
wenig bekannter französischer Dichter, gehört zu diesen
Zauberern. Er versuchte unermüdlich, der 'stummen Welt das
Wort zu erteilen'.
Analog dazu versucht der in der Nähe Kölns lebende Künstler
Jürgen Partenheimer der stummen Welt eine Form zu geben. Für
die Ausstellung, zu der ihn Jan Hoet in sein Stedelijk Museum voor
Actuele Kunst (Smak) nach Gent einlud, wählte er den Titel
eines kurzen Textes von Francis Ponge, La robe des choses,
das Gewand der Dinge. Ponge spricht im ersten Satz von den 'hinterlistigen
Veränderungen', welche die Oberfläche der Dinge durch
natürliches oder künstliches Licht, durch Wind, Wolken,
ja durch den leisesten Hauch und die zarteste Bewegung erfahren.
Der Dichter regt dazu an, das genaue Hinschauen zu lernen, so dass
derjenige, der 'ganz einfach den Tag betrachtet', schließlich
erkennt, dass sich das Gewand der Dinge je nach Zeit und Ort verwandelt.
Jürgen Partenheimer nimmt die Anregung von Francis Ponge wörtlich
- zumindest, was die Ausstellungsform und seine Skulpturen betrifft.
Und er übt sich geduldig in der Annäherung an die veränderlichen
Schichten der Dinge, Schichten jenseits der wiedererkennbaren Wirklichkeit
- in seinen Zeichnungen und Bildern. Seine Weltachse, die
als Skulptur vertikal hoch aufgerichtet zum Beispiel aus dem Bonner
Kunstmuseum bekannt ist, hat er in der originalen Karton-Version
in ihre einzelnen Kuben zerlegt und in eine Glasvitrine gesperrt.
Die steht jetzt zental in dem großen Seitenlichtraum des ersten
Museums-Stocks. An die Rückwand gelehnt und ebenfalls in Einzelteile
zerlegt ist die 'Fraktale Schleife', die ursprünglich als große
Bodenarbeit gedacht ist und jetzt
wie eine Wandzeichnung wirkt, beziehungsweise ein Relief aussieht.
Die Veränderbarkeit des Objekts, des Materials, seiner intellektuellen
Voraussetzung und seines geistigen Zustands demonstriert Partenheimer
also mit ganz einfachen Mitteln. Und wer noch einen Beweis braucht
oder ein Mittel der Annäherung, für den hat er seinen
Atelier-Sessel - auf Rollen - in den Ausstellungsraum gestellt.
In den Seitenkabinetten, die rechts und links an den mittleren Raum,
wohl der schönste des Museums, anschließen, sind neuere
Zeichnungen und Bilder Partenheimers zu sehen. Fragile Notate des
Erinnerns - an Aufenthalte in Spanien, an Begegnungen mit China,
an Gesehenes, Erlebtes, Gehörtes - und Gelesenes.
Der Genter Verleger Ergo Pers hat ein wunderschönes Buch publiziert,
in dem Radierungen von Jürgen Partenheimer auf Texte von Francis
Ponge treffen, La rêveuse matière, Die träumerische
Materie. 'Wahrscheinlich, ist alles und sind alle (auch wir selbst)
nur Träume, unmittelbare, der göttlichen Materie: wörtliche
Erzeugnisse seiner verschwenderischen Eingebung.'Ein Kapitel dieser
Text-Sammlung ist La robe des choses - neben 'Die Dolden'
(reinster Klang, wie im Original 'Les Ombelles'), 'Die Landschaft',
'Die Erde'. Und Partenheimer gelingt es tatsächlich, den Klangzauber
in Linien und Farben einzufangen.
Amine
Haase in Kölner Stadtanzeiger, 30.8.2002.
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